Drei Ps für den Holzbau: People, Planet, Profit
Sebastian Bildau, Architekt und Holzbauexperte, Gründer des Ateliers Bildau in München, im Interview. Es geht um seine Erfahrungen im mehrgeschossigen Holzbau, die er besonders in Kanada, USA, Skandinavien, Österreich und Afrika gesammelt hat.
Hallo Sebastian, toll, dass du dir die Zeit nimmst für ein Gespräch mit bmH bauen mit Holz. Unsere Reihe „Menschen im Holzbau“ setzen wir heute mit dir fort. Und warum? Nun, du hast viel Erfahrung im mehrgeschossigen Holzbau gesammelt, besonders in Kanada, USA, Skandinavien, Österreich und Afrika. Solche globalen Erfahrungen aus der Welt und aus großen Planungsbüros sind auch für andere interessant. Was hat dich im Ausland bei der Planung von Holzbauten besonders beeindruckt und vielleicht auch für deine Sicht auf Holzbau-Planung in Deutschland geprägt?
Sebastian Bildau: Ich bin in München und Umgebung aufgewachsen und habe hier bis zum Vordiplom studiert. Danach habe ich in Wien auf der Angewandten und der Akademie studiert und dort meinen Abschluss gemacht. In Österreich habe ich auch den Holzbau kennengelernt und viel über Materialien und Gestaltung gelernt. Besonders spannend fand ich den Dialog zwischen Europa und Nordamerika im Holzbau, ich habe zwei Jahre in Kanada und vier Jahre in den USA verbracht. Die Amerikaner haben den Holzrahmenbau weiterentwickelt und optimiert, was uns in Deutschland noch einiges lehren kann.
Wie meinst du das? – Mehr Mut?
Sebastian Bildau: Genau, in den USA habe ich argumentiert, dass wir mehr Regeln so wie in Deutschland brauchen, aber jetzt sehe ich das kritischer. In Deutschland sind wir oft überreguliert, während in den USA zu wenig reguliert wird, besonders im Hinblick auf nachhaltiges Bauen. Als ich 2019 aus den USA nach Berlin zurückkam, habe ich bei CF Møller Architects am Bundesumweltministerium gearbeitet. Dort habe ich die Holzbauabteilung geleitet und festgestellt, dass wir oft mit starren Vorschriften und Zulassungen kämpfen, besonders bei nachwachsenden Rohstoffen wie Holz, Stroh und Hanf.
Ja, das ist oft schwierig – hat das oft mit den Genehmigungen dieser Baumaterialien zu tun?
Sebastian Bildau: Wir wollten eine nachwachsende Fassadenverkleidung verwenden, wir hatten dann versucht, mit Bambus zu arbeiten. Bambus hat eine sehr gute Brandwiderstandsfähigkeit, wenn er in zerspante Fasern zerlegt wird und dann neu zusammengesetzt wird. Und so würde er sich eignen als Fassadenverkleidung, aber das ist dann an der Zulassung, oder in dem Fall war es das Dauerhaftigkeitszertifikat, gescheitert.
Kann die Industrie überhaupt die Dinge bereitstellen, die man sich als Bauherr sowie als Planender vorstellt? Das ist ein großes Thema, auch wie man mit öffentlichen Bauaufträgen umgehen kann.
Sebastian Bildau: Ja, man muss früh ansetzen und die richtigen Entscheidungen treffen, um wirtschaftlich und nachhaltig zu bauen. In München werden die Schulen zwar nachhaltig gebaut, aber es ist immer noch sehr viel Betonanteil drin – klassischerweise das Tragwerk in Beton oder in Ziegeln.
Dass der Holzbau nur als Gesamtleistung ausgeschrieben werden kann, ist ein weit verbreiteter Glaube. – Was aber nicht stimmt. Man kann einzelne Gewerke ausschreiben, zum Beispiel das Tragwerk, Fassade, Innenwände und so weiter. Jedoch ist es natürlich gleichzeitig so: Je größer die Pakete sind, umso besser können die Firmen anbieten. Daneben ist es auch wichtig, dass die Hülle schnell geschlossen wird. Deshalb sollte man frühzeitig bedenken: Was habe ich für Ziele, wie flexibel soll die Struktur sein? Aus der Betrachtung heraus sind Bauten dann oft nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar, beispielsweise was große Spannweiten betrifft. Die offene Schule Waldau, die wir bei CF Møller geplant hatten, kam auf eine sehr hohe Lastanforderung und große Spannweiten mit sieben und mehr Metern. Dafür muss man früh die Weichen stellen, sonst läuft man falsch los und dann kommt man nicht wieder zurück oder eben zu sehr hohen Kosten.
Im Holzbau ist man viel schneller in einem sehr hohen Detaillierungsgrad, der mit der klassischen Planung in Deutschland nach der HOAI schwer zusammenpasst. Im Holzbau bin ich mit der Planung schon in der Einreichplanung fertig. D.h. man muss quasi die Leistungsphase 5 vorziehen und auf die ersten 3 oder 4 Phasen verteilen, was enorme Auswirkungen auf den Terminplan und auf die Kosten hat.
Es ist wichtig, den Planungsprozess und die Ausschreibungsmodalitäten zu verändern. In „LeanWood“ von der TU München und in anderen Forschungsprojekten, wie beispielsweise „Build in Wood“, wird das thematisiert und Lösungen werden angeboten. In Deutschland gibt es auch das Modell der funktionalen Ausschreibung, das auf einem niedrigeren Detaillierungsgrad, wie zum Beispiel in der Leistungsphase 3, aufsetzen kann.
Tube in Tube Tower, Axonometrie Regelgrundriss und Tragstruktur (Quelle: © Atelier Bildau)
Das spart nach hinten raus dann viel Zeit, richtig?
Sebastian Bildau: Ja. Bis zur Einreichung ist die Planung schon komplett fertig und ich kann dann quasi die Genehmigungsplanung abwarten, oder ich kann schon die Baufirma beauftragen, während die Genehmigungsplanung noch läuft. Die Holzbaufirma kann die Elemente schon fertigen, wenn ich den Bauantrag durchhabe. Und dann können diese sofort auf die Baustelle.
2019 kamst du aus den USA zurück nach Deutschland, zuerst nach Berlin, Anfang 2025 bist du zurückgekehrt zu deinen Wurzeln nach München. Zum 1.1.2025 bist du mit deiner Neugründung, dem Atelier Bildau in München, gestartet. Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Gründung und viel Erfolg! Welche Idee verfolgst du mit dem Atelier?
Sebastian Bildau: Familiär, aber auch beruflich bin ich hier in München gut angebunden. Die Idee ist, dass man lokale Projekte hier in München und regional in der DACH-Region bearbeitet. In Europa und Nordamerika sind größere Projekte, wie beispielsweise Holzhochhäuser, eine meiner Spezialitäten, geplant. Es hatte sich in meiner Zeit in den USA ein Perspektivwechsel ergeben, und zwar von der Eurozentrierung weg hin zu der Fragestellung: Was kann man dort lernen? Man kann nämlich gut von den Amerikanern lernen, wie man Hochhäuser baut. Hochhäuser faszinieren mich schon lange.
In den USA, besonders in Städten wie New York und Chicago, ist der Druck auf die Flächen sehr hoch. In Deutschland, insbesondere in München, bauen wir nicht dicht genug. Hochhäuser haben hier oft eine negative Konnotation, da sie in der Vergangenheit monofunktionell gestaltet waren. Von den Amerikanern können wir lernen, wie man Hochhäuser besser konstruiert. Ich habe dann die Hochhausthematik mit dem Holzbau kombiniert, und das ist ein ganz spannendes Thema, finde ich.
Auto.Forest Detroit, Schrägluftbild (Quelle: © Atelier Bildau)
Wenn ich mir deine Entwürfe ansehe, interessierst du dich nicht nur für den Hochbau, sondern auch für die Landschaftsplanung, oder?
Sebastian Bildau: Das stimmt. In den USA und auch in Asien, besonders in Singapur, werden sehr grüne Hochhäuser gebaut, die das Grün in die Gebäude integrieren. Diese Hochhäuser bieten hohe Aufenthaltsqualität, nicht nur in den Wohnungen, sondern auch in den Gemeinschaftsflächen. Je höher das Gebäude, desto mehr Gemeinschaftsflächen braucht man, wie Schwimmbäder, Fitnesscenter, Terrassen und Restaurants, die in den verschiedenen Geschossen arrangiert werden.
In der europäischen Stadt aber, zum Beispiel auch in München, habe ich in den Gründerzeitquartieren eine Erdgeschosszone mit Geschäften oder Werkstätten, also quasi eine öffentliche Funktion, dann habe ich das Programm, egal ob das jetzt Wohnen, Büro oder Hotel ist, und oft habe ich dann auf den oberen Geschossen und Dachflächen auch wieder eine öffentliche Funktion.
Für mehr Dichte kann ich diese Schichtung aus öffentlich, privat und halb öffentlich einfach zwei-, drei-, vier- oder fünfmal aufeinandergestapelt planen.
Ist das so hoch denn schon möglich?
Sebastian Bildau: Wir führen jetzt gerade zusammen mit Timbatec, einem Schweizer Holzbauingenieurbüro, eine Studie zu einem 150 Meter hohen Holzhochhaus durch. Wir nehmen fünf 30-Meter-Pakete, die wir mit dieser Schichtung übereinanderstapeln. Natürlich ist es auch wichtig, dass die Leute zusammenkommen. Das geht in der europäischen Stadt noch gut, weil dort Platz ist, um auf Flächen zusammenzukommen – wie in Parks oder auf Plätzen. In vielen Regionen ist es aber so, dass der Platz stark beschränkt ist, zum Beispiel in Singapur. Auch in New York und Chicago wurden Flächen sehr teuer, sodass man aufeinanderstapelt. Speziell aus der Holzbau-Perspektive gibt es zum Beispiel in Holland oder in der Schweiz oder in Norwegen auch Strukturen, die schon über die 60 oder sogar 80 Meter hinausgehen und auch diese programmatische Durchmischung aufweisen, wo man sich trifft und zusammenkommt.
Wie kommst du von deinem Blick der Schichtung, der Verdichtung, auf die Betrachtung der Landschaft?
Sebastian Bildau: Nun, Gebäude stehen ja nicht singulär auf der grünen Wiese, sondern haben auch unterschiedliche Abhängigkeiten zueinander, und deswegen muss man immer weiter rauszoomen. Quartiersentwicklung finde ich ein sehr spannendes Thema und wenn ich noch ein Stück weiter rauszoome, beschäftige ich mich mit Stadt und Landschaft. Sodass ich mich nicht nur mit dem gebauten Raum auseinandersetze, sondern diese zwei Räume sich im Dialog gegenüberstehen.
In der Stadtgestaltung schaut man oft den Zwischenraum an, also das, was zwischen den Gebäuden passiert, und da gibt es viele Freiräume und Plätze und auch viel Grün, also Landschaftsarchitektur und damit das Gestalten mit lebendigen Strukturen, also mit Bäumen und Pflanzen, und ich habe das für mich so sortiert, dass ich, quasi aus dem Holzbau heraus, mit dem lebendigen Material arbeite, also mit Bäumen. Im sogenannten Landscape Urbanism denkt man diese zwei Sachen zusammen und dann auch in Kombination mit einem Wirtschaftsmodell.
Das kommt aus der Historie heraus, wie man mit postindustriellen Städten oder Standorten umgeht. Ein Beispiel ist unser frühes Projekt, der „Auto.Forest“ in Detroit. Also wenn ich zum Beispiel eine alte Industriebrache habe, wie gehe ich damit um? Sie sind zum Beispiel oft mit Schwermetallen belastet. Ich kann dann Bäume und Sträucher pflanzen, die die Schwermetalle aufnehmen und dadurch den Boden reinigen. Es ließe sich auch ein Wald als Wirtschaftsmodell etablieren, sodass man Bäume pflanzt und diese dann verkauft, zum Beispiel schnellwachsende Arten wie Birken, Pappeln oder Weihnachtsbäume.
Bei Atelier Bildau planen wir in einem großen städtischen Maßstab und mit dem Ziel, die Städte klimafit zu machen, indem im städtischen Maßstab mit Bäumen und Sträuchern mehr begrünt wird. Zusätzlich setzen wir auf Fassadenbegrünung und verbessern das Wassermanagement. Am Ende muss man meiner Meinung nach alles zusammen denken, damit es funktioniert: „People, Planet, Profit“ sozusagen. Ich lande dann zum Beispiel automatisch beim Materialsparen, bei Kreislaufwirtschaft, bei Überlegungen zu: Wie viel Komfort will ich haben und wie robust soll das Gebäude gleichzeitig sein? Hohe Anforderungen an den Brandschutz, den Schallschutz erfordern viel verbautes Material. Das kann man immer wieder neu verhandeln, wie das bei der Initiative zum Gebäudetyp E geplant ist.
Wenn du an all diese Anforderungen denkst – hast du ein Lieblingsholz oder -material, mit dem du gern arbeitest?
Sebastian Bildau: Generell schaue ich gern das lokale Material an und berücksichtige die lokale Wertschöpfungskette: Das Holz sollte nicht von weit her kommen und die lokale Forstwirtschaft mit einbezogen werden. Ob in Amerika, Australien oder Europa, ich bin immer auf der Suche nach dem Lokalen oder bereits Vorhandenen. In Berlin und Brandenburg haben wir uns die lokale Spezies, die brandenburgische Kiefer, für das Bundesumweltministerium oder die neue Holzbausiedlung „Schumacher Quartier“ am alten Tegeler Flughafen angeschaut. Die ist relativ schwer zu bearbeiten, aber jede Holzart hat ihre Vor- und Nachteile. Wenn man in Richtung Äquator kommt, ist Bambus sehr interessant, der unheimlich schnell wächst und viel mehr CO2 bindet als Bäume. Er kann in Segmente zerteilt werden, sogenannte „Radlams“, oder komplett zerspant wie MDF als Fassadenmaterial und Terrassendielen verwendet werden.
Zum Abschluss eine Frage an dich persönlich: Wenn du keine Rücksicht auf Geld nehmen müsstest und genau nach deinen Werten planen und bauen dürftest – welches Material wäre in deinem Gebäude verbaut?
Sebastian Bildau: Natürlich viel Holz und ich würde wahrscheinlich viel Naturstein einsetzen sowie in den erdberührten Bauteilen Beton – obwohl ich wahrscheinlich gar keinen Keller bauen würde, dann kann ich den Beton vermeiden. Wir versuchen gerade, ein Grundstück im weiteren Sinne zu finden, also eine Dachfläche oder eine Struktur, die noch Kapazität hat, um etwas dazuzusetzen – eine klassische Dachaufstockung oder Nachverdichtung. Man kann leicht alles in Holz machen, weil man ja schon ein bisschen weiter oben ist. Ich würde mit Materialien bauen, die ansprechend sind, eine schöne Haptik haben und eine gute Mischung aus warmen und kalten Materialien.
Vielen Dank für das interessante Gespräch mit dir, Sebastian!
„Am Ende muss man meiner Meinung nach alles zusammen denken, damit es funktioniert: People, Planet, Profit.“
Sebastian Bildau
Dieser Beitrag ist erschienen in bmH bauen mit Holz 2.2025.